Funding und die Suche nach Mit-Gründenden sind zwei der großen Stolpersteine auf dem Weg zum erfolgreichen Start-up. Fehlen Mitgründende bedeutet dies oft schon das Aus einer wissensbasierten Gründung – zumindest, wenn die Unterstützung durch staatliche Förderprogramme wie EXIST angestrebt wird. Welche kreativen Wege gibt es für Start-ups auf der Suche nach Mitstreitenden? Diese Frage stand im Zentrum des fünften Treffens des Think Tank des Startup Campus 0711.
In seiner Begrüßung betonte Gastgeber Bernhard Grieb, Wirtschaftsförderer der Stadt Stuttgart, die erfreuliche Entwicklung in der Landeshauptstadt. Sie erfindet sich in Bezug auf Gründungsaktivitäten gerade ein Stück weit neu. Die Stadt will unterstützen, wie sie kann und hat großes Interesse daran, aufstrebende Start-ups auch in der Region zu halten. Gerade mit günstigen Gewerbeimmobilien und niederschwelligen Angeboten zur Vernetzung verbessern sich die Ansiedelungsbedingungen in der Stadt.
Professor Peter Middendorf, Prorektor für Wissens- und Technologietransfer, eröffnete das Treffen mit einem Blick in die Gründungs-Pipline von Universität Stuttgart und Hochschule der Medien (HdM): Zwölf Teams an der Uni und fünf Teams an der HdM suchen aktuell dringend Co-Founder. An der Uni werden besonders Betriebswirtschaftler gesucht – denn die Kernidee der Gründung entspringt oft der Forschungsarbeit an den Technologie-Instituten. Bei der HdM besteht ein Engpass an Backend- und Frontend-Developern. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und der geographischen Lage inmitten einer der wirtschaftsstärksten Regionen Europas, die mit hoch-dotierten Arbeitsverträgen Fachkräfte bindet, werden die Schwierigkeiten bei der Co-Founder-Suche nachvollziehbar.
Kimon Georgiou, Head of Partnership, stellte die Plattform JobTeaser vor. Diese spezialisiert sich auf das Matchmaking von Nachwuchskräften aus den Hochschulen und Stellenangeboten in Unternehmen. Für Hochschulen ist das Portal, als eigene Präsenz, zurzeit kostenfrei. Damit öffnet sich auch ein Weg für Start-ups an den Hochschulen, gebündelt Co-Founder auszuschreiben und für Absolvent*innen gezielt Co-Founder-Stellen in Hochschul-Start-ups zu finden.
Andy Clifton, Mit-Gründer von enviConnect, schilderte eindrücklich den langen und zehrenden Weg, den seine Mit-Gründerin Ines Würth und er hinter sich haben, bis sie erfolgreich den dritten im Bunde – John Rayan – gefunden hatten. Einen passenden Gründer oder eine Mit-Gründerin zu finden, unterscheidet sich deutlich von der Besetzung einer offenen Stelle in einem Unternehmen. Gesucht werden nicht nur passende Skills, gesucht wird ein Mensch, der ins Team passt, deren Vision von Zusammenarbeit und Projekterfolg matcht. Stimmen die Werte überein? Und was sagt das Bauchgefühl? Können wir nicht nur ein Team sein, wollen wir es auch sein?
Ein Co-Founder ist kein Co-Worker. Mit dieser Erkenntnis stellten Clifton und Würth ihre Suche nach einigen Misserfolgen noch einmal neu auf. Aus einer Job Description wurde eine People Description. Und aus einer Stellenanzeige wurde ein Call for Support. Auch Diversity haben die beiden Gründenden für sich thematisiert. Was verstehen sie unter dem Begriff und wie setzen sie Diversity um. Im Kontext der Co-Founder-Suche unterzogen sie ihre Texte zum Beispiel einem Gender-Decoder, um Interessierte nicht einseitig anzusprechen. Einen guten Tipp haben sie für alle Suchenden: Arbeitet mit den möglichen Co-Foundern in einem kleinen Testprojekt zusammen. Das taten Clifton und Würth und am Ende der viermonatigen Suche wurde aus dem Gründenden-Duo ein Trio. Ihr Antrag auf EXIST-Förderung im Dezember 2022 wurde bereits im März 2023 positiv beschieden. Die ersten Aufträge für enviConnect, die mit einer Software das Windlidar-Flottenmanagement verbessern, sind da. Bis 2025 will sich das Team um bis zu sieben Mitarbeitende vergrößern. Wie das erfolgreich gelingt, wissen sie nun.
Im Austausch untereinander diskutierten die Anwesenden weitere Möglichkeiten, Start-ups mit passenden Co-Foundern zu matchen. Eric Heintze, von der Landesinitiative Gründermotor“, schlug ein kreatives Alumni-Management vor: Start-up Recycling! Wenn von zehn Start-ups nur eins längerfristig erhalten bleibt, gibt es aus neun Start-ups Menschen mit vielfältiger Gründungserfahrung. Wer erfolgreich gescheitert ist, ein interessantes, aber nicht zukunftsfähiges Business Modell nicht mehr weiterverfolgt, hat neben der Erfahrung meist oft den passenderen Spirit, um wieder bei einem Start-up anzuheuern.
Es gilt auch daran zu arbeiten, dass Teams zusammenbleiben, schilderte Hartmut Rösch, Leiter des Start-up Centers der HdM, eine der Coaching-Aufgaben am Startup Campus 0711. Start-up-Reisen sind intensiv, Konflikte sind unausweichlich – wie die Konflikte bearbeitet werden, kann entscheidend dazu beitragen, ob Teams zusammenwachsen oder gesprengt werden. Gerade in der Frühphase können implodierende Teams dazu führen, dass eine gute Idee nicht mehr weiterverfolgt wird.
Für Dr. Andreas Chatzis von der Wirtschaftsförderung der Stadt Stuttgart liegt neben der Netzwerkarbeit auf Matchmaking-Events, als konzertierte Aktion in der Metropolregion, ein produktiver Weg in der Aktivierung von Business Angel – nicht einmal des Investments wegen, sondern als Erweiterung von Netzwerkkontakten.
Aaron Bahnmüller, Bosch, und René Ackel-Zakour, Mercedes-Benz, sehen auch Potenziale für spannende Matchings mit Menschen am Ende einer Konzern-Karriere. Diversität auch generationsübergreifend denken, kann besonders im Bereich Finanzen und Organisationsentwicklung viel Turbulenzen aus einer Gründung nehmen. Die Kooperation über Mitarbeitende aller Generationen zwischen Unternehmen und Start-ups könnte für beide Partner weitere Vorteile haben. Dieser Punkt wird in weiteren Gesprächen vertieft.