Die Anlaufstelle für Startups am Campus Stuttgart

Das grosse Potenzial für wissenschaftsbasierte Gründungen wird in Stuttgart sichtbar

Spin-offs und Ausgründungen aus den Hochschulen haben das Zeug, drängende gesellschaftliche Herausforderungen zu lösen, ganze Wirtschaftszweige zu transformieren und komplett neue Business-Modelle zu entwickeln. Der Weg von der ersten Idee bis zur Firmengründung wird an den Hochschulen durch gezielte Unterstützungsangebote von der Entrepreneurship-Lehre, über Business-Coaching und IP-Beratung bis zur Begleitung bei Förderanträgen geebnet.

Die Hochschule der Medien (HdM) und die Universität Stuttgart bündeln ihre Angebote seit 2020 im „Startup Campus 0711″. Dr. Anna Christmann, Mitglied des Bundestags für den Wahlkreis Stuttgart II und Beauftragte des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz für Digitale Wirtschaft und Start-ups informierte sich am 5. April 2023 vor Ort auf dem Campus in Vaihingen über den Fortschritt im Projekt.

Kompetenzen bündeln

Der Prorektor für Wissens- und Technologietransfer Prof. Dr. Peter Middendorf (Uni Stuttgart) und der Prorektor für Innovationsmanagement Prof. Dr. Nils Högsdal (HdM) begrüßten Anna Christmann in der ARENA2036. Nach einem Rundgang durch den Forschungscampus und einem Stopp am Makerspace stellte Johanna Kutter (HdM) das Konzept des Start-up Campus 0711, den aktuellen Stand und die Planungen bis zum Projektende Anfang 2024 vor.

Im Netzwerk besser – dieser Gedanke liegt dem Start-up Campus 0711 zugrunde. So bündeln und poolen die Hochschulen ihre Kompetenzen, öffnen Angebote für Studierende anderer Hochschulen aus dem Hub und arbeiten eng bei der Suche nach Investoren und Investorinnen zusammen. Mit steigender Bekanntheit des Start-up Campus 0711 steigt auch die Nachfrage. Allein 2022 wurden mehr als 300 Erstberatungen durchgeführt, 47 Unternehmen formal gegründet und ein Fördervolumen von 1,94 Millionen Euro eingeworben.

Weitere Fokusgruppen und -themen

Neben der regionalen Ausdehnung des Start-up Campus 0711 auf die Hochschulen der Metropolregion Stuttgart versprechen weitere spezifische Fokusgruppen und -themen eine zusätzliche Aktivierung von Gründungspotenzialen. Bei Impact Entrepreneurship, Female Founders und Migrantpreneuren sei noch viel zu tun und viel mehr möglich, so Johanna Kutter und deutete anlaufende Kooperationen im Stuttgarter Hochschulhub an.

Auch Schmerzpunkte, die das Gründungsgeschehen beschränken, wurden angesprochen: Neben dem Dauerthema Finanzierung ist es insbesondere die Suche nach Co-Foundern, die manchem Start-up schon in der Frühphase den Stecker zieht. „Hier sehen wir großes Potenzial für die Entwicklung des Start-up Campus 0711 von einem Projekt am Campus Vaihingen zu einem Projekt der Hochschulen in der Metropolregion Stuttgart“, so Prof. Dr. Peter Middendorf. „Über Hochschulen hinweg passende Founder zusammenzuführen, die sich in Kompetenzen und Interessen ergänzen, kann das Gründungsgeschehen bei uns weiter beleben“, ergänzte Prof. Dr. Nils Högsdal.

„Wichtig ist, dass wir das, was wir in den letzten Jahren aufgebaut haben, auch nach Projektende weiterführen können“, betonte Middendorf. Dazu wäre eine weitere Förderung von Seiten des Bundes wünschenswert. Bei der Verstetigung von Unterstützungsangeboten an Hochschulen sieht Anna Christmann besonders die in der Region ansässigen Unternehmen in der Pflicht.

Leistungsschau

Der Start-up Campus 0711 nutzte den Besuch von Anna Christmann für eine kleine Leistungsschau auf der Fläche der Design Factory Stuttgart. Sechs Start-ups stellten ihre Innovationen, den aktuellen Stand ihrer Gründungen und auch die anstehenden Herausforderungen vor. Alle Start-ups haben eine Gründungs- oder Forschungstransferförderung des BMUK-Förderprogramms EXIST erhalten.

Nils Bachmann vom Start-up Proservation zeigte, wie aus Getreidespelzen biobasiertes, umweltfreundliches Verpackungsmaterial entsteht. Proservation hat gegründet und die ersten Produktionsräume in Stuttgart-Cannstatt bezogen. Das Start-up profitierte dabei von Sonderkonditionen, die die Stadt Stuttgart für die Anmietung von Leerstandsflächen gewährt.

Dr. Ines Würth von enviconnect stellte vor, wie ihr Start-up mit hoch performanter Software die Entwicklung und den Betrieb von Windparks verbessern will. Sie schilderte eindrücklich, was es bedeutet, eine gute Idee, aber keinen Programmierer zu haben und wie wichtig unterstützende Orientierung sei, um ein Start-up zu gründen.

Dr. Pascal Kraft stellte das plattformbasierte Start-up Cosonify vor, das Musiker und Musikerinnen bei der kollaborativen Entwicklungen von Songs unterstützt. Er hob hervor, wie wichtig es sei, dass sich die richtigen Menschen zum richtigen Zeitpunkt finden. Erst der fast zufällige Match mit einem weiteren Gründer professionalisierte das „wäre eine tolle Sache“ zu einem veritablen, business-fähigen Start-up.

Katrin Kreidel sensibilisiert mit ihrem Start-up hydrop water systems Menschen für ihren individuellen Wasserverbrauch. Das KI-gestützte Tool analysiert Verbräuche, ordnet sie Handlungen zu und führt über das App-basierte Feedback zu Verhaltensänderungen und sinkenden Verbräuchen. Sie bot an, auch den Bundestag mit hydrop Messgeräten auszustatten. Katrin Kreidel schilderte auch, dass ein EXIST-Gründungsstipendium großartig sei, aber mit zwölf Monaten knapp bemessen ist, wenn sich ein Start-up plötzlich mit dem Zusammenbrechen globaler Lieferketten auseinandersetzen muss.

Maike Lambarth von Cyclize wies darauf hin, dass disruptive Deep Tech Start-ups meist längere Entwicklungszeiten hätten, bis Demonstratoren oder gar marktreife Produkte entstünden. Die Förderung als EXIST-Forschungstransfer gibt ihrem Start-up zwar mehr Zeit als das EXIST-Gründungsstipendium, die Anschlussfinanzierung sei jedoch jetzt schon ein Thema.

Dr. Claudiu Mortan und Prof. Michael Saliba nannten für ihr Start-up Perosol eine Zahl: 60 Millionen Euro als Investition wären ein guter Ansatz, um ihrer Innovation – gedruckte, flexible Perowskit-Solarzellen – den entscheidenden Schub nach vorn zu geben. Das Team ist das erste in Deutschland, dass ein derartiges Druckverfahren entwickelt hat und zählt beim Thema Perowskit zu den Top Five: noch ein Game Changer made in Stuttgart.

Fotos: Max Kovalenko

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